Newsinternational Montag, 13.03.2017 |  Drucken

Wahlkampf in den Niederlanden: Religionsfreiheit steht auf dem Spiel

lWilders gegen Rutte - Katholiken und Muslime rufen zur Wahl auf

Am Mittwoch wählen die Niederländer ein neues Parlament. Bischöfe und ein Moscheenverband haben ihre Mitglieder zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen. Auf dem Spiel steht aus ihrer Sicht die Religionsfreiheit.

Den Haag (KNA) «Die Abstimmung ist ein Recht und ein Privileg, weil wir in einer demokratischen Gesellschaft leben», schreiben die niederländischen Bischöfe in einer Erklärung zur Wahl. Eine Wahlempfehlung wollen sie nicht geben, aber einige Hinweise.

In ihrem zweiseitigen Papier sprechen sie die für die Kirche wichtigsten Themen an. In den Niederlanden zählt dazu besonders der «Respekt für das Leben». Denn anders als in Deutschland ist dort seit 2002 die aktive Sterbehilfe erlaubt. Erst im Herbst stießen zwei Minister die Diskussion über aktive Sterbehilfe für ältere Menschen an, die nicht unheilbar krank sind. «Das menschliche Leben ist ein Geschenk», schreiben die Bischöfe. Diese unantastbare Würde habe «vom Zeitpunkt der Empfängnis bis zum natürlichen Tod» den vollen Schutz des Staates verdient. Zudem machen sie auf die Freiheit der Religion und des Glaubens als zentralen Wert aufmerksam. In der Wahlkabine stehe aber letztendlich jeder vor der Frage, wie er mit seiner Stimme im Lichte des Evangeliums kurz- und langfristig zum Zusammenleben der Gesellschaft beitragen wolle, so die Geistlichen.

Menschliche Würde, Solidarität, Grundrechte wie die Religionsfreiheit und Bildung, soziale Gerechtigkeit, Toleranz sowie Frieden zwischen den Religionen und Kulturen sollten die Basis dieses Zusammenlebens sein, schreiben sie. Ihr Aufruf endet mit einem Zitat von Papst Franziskus: «Prüfe genau die Vorschläge, bete und wähle entsprechend deinem Gewissen!» Das «Social en Cultureel Planbureau» gab 2016 bekannt, dass für 12 Prozent der regelmäßigen Kirchenbesucher in den Niederlanden der Glaube eine Rolle bei der Meinungsbildung spiele.

Auch muslimische Verbände riefen ihre Mitglieder auf, an den Wahlen teilzunehmen. Der Vorsitzende des Moschee-Dachverbands in den Niederlanden, Contactorgaan Moslims en Overheid (CMO), Rasit Bal, rief Muslime auf, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Er sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur Anfang März, dass viele Muslime verängstigt seien. «Die steigende Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe gegen Muslime und die Stärke der rechtspopulistischen Partei PVV schüchtern sie ein.» Verbale und körperliche Angriffe auf muslimische Frauen hätten zugenommen. Immer wieder habe es auch Angriffe auf Moscheen gegeben. Die Muslime in den Niederlanden seien besorgt über ihre Zukunft. Das Thema Religion spielte im Wahlkampf eine große Rolle. Der Kandidat der rechtspopulistischen «Parteij voor de Vrijheid» (PVV), Geert Wilders, sorgte zuletzt für Aufregung, weil er den Koran mit Hitlers «Mein Kampf» verglich.

Der Rechtspopulist sagte in einem TV-Interview, der Islamismus sei womöglich «noch gefährlicher» als die Nazi-Ideologie. Moscheen nannte er «Nazi-Tempel». Im Programm seiner Partei werden ein Koran-Verbot und die Schließung von Moscheen gefordert. Wie Wilders solche Forderungen umsetzen will, erklärt er nicht. Der Koran solle nicht aus den Häusern geholt werden - aber er solle nicht mehr verkauft werden. Und er weiß natürlich, dass Texte auch im Internet hochgeladen werden können. Das Verbot sei zum Teil symbolisch gemeint, sagt Wilders selbst.

Im Gegenzug machten etwa 30 Theologen, Geistliche und Journalisten auch das Christentum zum Thema. Sie wehren sich dagegen, dass die Rechtspopulisten es für ihre Zwecke instrumentalisierten. Kirchenvertreter und Akademiker unterzeichneten eine Petition mit dem Titel «In der Tat: Lang lebe unsere christliche Kultur». «Eine Kirche ist keine politische Partei; eine politische Partei ist keine Kirche», heißt es im ersten Absatz der Petition. Unterschrieben wurde sie etwa vom Bischof von 's-Hertogenbosch, Gerard de Korte, der Präsidentin der evangelischen Kirche, Karin van den Broeke, vom altkatholischen Erzbischof von Utrecht, Joris Vercammen.

Laut der Internetseite «Peilingwijzer», die sich auf sechs Umfragen von Donnerstag stützt, liegt die rechtsliberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte derzeit leicht vor der PVV. Die PVV käme derzeit auf 21 bis 25 der 150 Sitze Unterhaussitze, was etwa 15 Prozent der Stimmen entspräche. Die VVD könnte mit 23 bis 27 Sitzen rechnen (16 Prozent). Während die PVV in den vergangenen Wochen Sitze verlor, blieben die Umfragewerte für die VVD seit einigen Wochen konstant. Es wird allemal eng.



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